Artikel Bernd Seidl vom 17.07.2005

Rüdiger Stegemann sieht Gentechnik auf dem Vormarsch:

Gen-Mais durch die Hintertür?

Bühl. Erdbeeren, die selbst noch auf Schwarzwaldhöhen wachsen und Mais, der gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent
ist: In den Gen-Labors der großen Agro- und Chemiefirmen werden solche Lebensmittel entworfen. Volkswirt Rüdiger Stegemann warnte am Freitagabend im Bürgerhaus
Neuer Markt vor den negativen Folgen der Gentechnik in der Landwirtschaft.

„Weltweit wächst die Anbaufläche für gen-
technisch veränderte Pflanzen rasant“,
sagte Rüdiger Stegemann bei der von Grün-Alternativer Liste (GAL) Bühl und Bündnis 90/Die Grünen organisierten Ver-
anstaltung. Stegemann gehört zu den Gründern der Aktion „Gentechnikfreie Region Südlicher Oberrhein“. Solche Bündnisse ent-
stehen derzeit in ganz Deutschland. Getragen werden sie von Umweltschützern, aber auch von Kommunen, kirchlichen Gruppen und Landwirten. Zuletzt haben Verbände und Initiatoren aus der Region zwischen Bühl und Karlsruhe die Aktion „Gentechnikfreie Zone Mittlerer Oberrhein“ ins Leben gerufen.

Stegemann hält die Förderung der Gen-
technik in der Landwirtschaft für falsch und voreilig. So sei beispielsweise nicht er-
forscht, welche Nebenwirkungen die Über-
tragung von Genen habe. Man müsse damit rechnen, dass sich genmanipulierte Pflanzen unkontrolliert verbreiten könnten. Landwirte, die bewusst auf diese Technologie verzichten wollen, hätten es dann schwer, reine und gentechnikfreie Sorten anzubauen. Auch könnten Allergien gefördert werden und ihre Ursache unentdeckt bleiben.

Seit Januar ist die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen unter strengen Auflagen in Deutschland erlaubt. Damit hat die Bundes-
regierung eine Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt. „Vieles ist jedoch noch nicht geregelt, insbesondere, wenn die Länder mitwirken müssen“, so Rüdiger Stegemann vor rund 50 Zuhörern im Bühler Bürgerhaus. Die CDU-regierten Länder blockierten die Durchführungsverordnung im Bundesrat, so Stegemann. Dennoch gebe es seit Januar ein Standortregister für Genpflanzen. Landwirte, die beispielsweise Gen-Mais aussäen wollen, müssen sich dort eintragen lassen. Im Streitfall mache das Gesetz außerdem die Gen-Bauern haftbar für Schäden auf den Nachbargrundstücken.

 

 

Die größte Gefahr gehe jedoch von „agro-
gentechnischen Skandalen“ aus, so der Diplomvolkswirt. So habe beispielsweise eine Saatgutfirma vier Jahre lang illegal gen-
technisch veränderten Mais nach Deutsch- land geliefert und im Nachhinein behauptet, es habe sich um „ein Versehen“ gehandelt. Rüdiger Stegemann: „Da werden wir für dumm verkauft. Ich denke, solche Dinge passieren nicht zufällig.“ Es sei zu befürchten, dass auf diese Weise der Gen-Mais durch die Hintertür nach Deutschland gebracht werden soll.

„Wir wollen die gentechnikfreie Produktion schützen“, erläuterte Wolfgang Jokerst die Position seiner Partei. Jokerst sitzt für die
GAL im Bühler Gemeinderat und ist Bundestageskandidat von Bündnis 90/ Die Grünen im Wahlkreis Rastatt/Baden-Baden. „Ein Regierungswechsel“, so Jokerst, „bedeutet schrankenlose Vorfahrt für die Anwendung von Gentechnik im Agrarbereich. Das wollen wir verhindern.“ Jokerst sprach sich für eindeutige gesetzliche Regelungen aus, die vor allem die Wahlfreiheit des Verbrauchers gewährleisten sollen. Zugleich machte er am Freitagabend im Bürgerhaus auf eine Unterschriften-Aktion aufmerksam, mit der die GAL Bühl die „gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein“ unterstützt.

Rüdiger Stegemann begrüßte das Nein der Grünen zu einer schrankenlosen Anwendung der Gentechnologie in der Landwirtschaft. „Die CDU ist klar dafür, die SPD schweigt“,
so Stegemann im Blick auf die Programme der großen Parteien. Aber auch die Position von Bündnis 90/Die Grünen geht ihm nicht weit genug: „Die Koexistenz von Gentechno-
logie und herkömmlicher Landwirtschaft ist eine Illusion“.

 


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